Während meines gesamten Lernprozesses (von Kindheit an bis heute), habe ich den Satz „Das darf man aber nicht machen.“ Sehr oft gehört. Aber auch der Satz „Man muss so zeichnen.“ Kenne ich zu genüge. Diese Aussagen kamen nicht nur von Lehrern oder Dozenten. Manche Ansichten sind auch heute noch bei den Zeichnern selbst tief verwurzelt.

Für mich persönlich gibt es keine wirklichen Verbote beim Zeichnen. Irgendwie hat alles seine Berechtigung. Die einzige Grenze, die ich sehe, ist der Verwendungszweck.  Damit meine ich z.B. Abpausen ist zum üben ok, solange du ein fremdes Werk nicht als dein eigenes ausgibst.

Ich werde dir nun einige „Das darfst du nicht machen.“ Aussagen vorstellen. Vielleicht hast du auch schon einige dieser Aussagen gehört.

Mit dem Bleistift schummern macht man nicht
Es heißt, schummern nicht schummeln. Wobei viele es als schummeln bezeichnen. Schummern ist, wenn du den Bleistift verwischt, um Schatten darzustellen. Es ist eine zulässige Technik, um mit einem Bleistift zu arbeiten. Wird aber nicht gerne gesehen. Es ist ein Ausdruck von Faulheit, weil man keine Lust hat mit Schraffuren zu Arbeiten. Diese Aussage habe ich von einem Mädchen bekommen, dem ich meine Bewerbungsmappe für die Uni gezeigt habe. Damals hatte ich noch sehr viele Portraitbilder in meiner Mappe. Sie sagte schummern geht gar nicht. Wahrscheinlich wurde ihr es im Studium so eingeprügelt. Tatsächlich sehen das die Dozenten nicht sehr gerne. Meiner Meinung nach, ein sehr altmodischer Gedanke. Denn es ist eine Technik, die ebenfalls ein schönes Ergebnis hervorbringen kann. Heute Schummer ich tatsächlich kaum noch, aber nur weil mir die Struktur in der Schraffur besser gefällt, die beim Schummern verloren geht. Das ist mein persönlicher Geschmack. Ich empfinde Schummern aber nicht als Schummeln.

links: geschummert, rechts: schraffiert

Linien dürfen nicht gestrichelt werden
Eine Sache, die immer wieder gepredigt wurde und nie erklärt wurde. Besonders oft von Lehrern und Dozenten gepredigt. Im Nachhinein finde ich es sehr traurig, dass nie erklärt wurde was wirklich gemeint ist. In der Uni wurde immer gesagt „Zeichnet durchgehende Linien und setzt den Stift nicht ab.“. Im Grunde genommen ist es nicht ganz verkehrt. Es geht dabei um stabile und sichere Linien, die aus dem Arm heraus gezeichnet werden. Das habe ich im Studium nicht verstanden. Unsere Dozentin hat uns dann Bilder von einer anderen Studierenden gezeigt, die sie sehr großartig fand. Zusehen war ein sehr einfacher Doodle Stil und Gummiarme (Der Anspruch lag nicht bei korrekter Anatomie). Auch das ist zeichnen und ein eigener Stil. Aber dieser Stil (der mich persönlich nicht anspricht) hat mich so abgelenkt das ich die eigentliche Message nicht verstanden habe. Es geht um ausgefranzte Lines, die durch das Stricheln der Linie entstehen KÖNNEN. Ich betone das Wort „KÖNNEN“ bewusst. Wenn ich mein Lineart auf rauem Papier setze, mit einem sehr dünnen Liner, strichel ich tatsächlich. Mit guter Motorik und viel Erfahrung wird das später nicht sichtbar sein. Was vermieden werden sollte, sind wacklige, ausgefranzte und unsichere Linien. Außer diese sind beabsichtigt und für das Endergebnis wichtig.

links: gestrichelte Linie (wie man es in der Regel nicht möchte)
mitte: mit schwung aus einer Linie heraus (kraftvoll, dynamisch)
links: gestrichelt (dennoch stabil)

Abpausen kann jeder
Diese Aussage habe ich tatsächlich eins zu eins so bekommen, als ich meinen eigenen Entwurf mit einem LED Pad übertragen habe. Darüber muss ich auch nicht diskutieren. Es ist vollkommen zulässig seine eigenen Zeichnungen noch einmal ordentlich abzupausen für die Reinzeichnung. Das machen sehr viele Illustratoren.

Ich übertrage meine Bilder (Entwürfe) mit einem LED Pad

Aber was ist mit anderen Bildern, die nicht von mir sind? Da kommt es klar auf den Zweck an. Mache ich es nur für mich aus Spaß, um etwas zum Ausmalen zu haben, ist das vollkommen ok. Wichtig ist nur, dass ich es nicht als mein eigenes ausgebe. Wenn ich es dennoch veröffentlichen möchte, sollte ich so fair sein und das original und den Künstler verlinken (also Credits angeben). Pausen kann auch als Bildanalyse sehr gut funktionieren. Gerade wenn man eine Pose von einem Foto übernehmen will. In dem man zusätzliche Dimensionslinien einzeichnet (Gitterlinien), kann es helfen die Pose besser zu verstehen. Man lernt durch das Pausen auch Dinge dazu.

Durch Pausen kann man Posen analysieren und verstehen.

Abzeichnen ist böse
Die meisten von uns haben das Zeichnen durch Abzeichnen erlernt. Bei mir war es früher Sailor Moon. Heute sehe ich unendlich viele Bilder zu Demon Slayer und Naruto. Die Bilder sind dann eins zu eins abgezeichnet. Dadurch kann ich die Künstler tatsächlich nicht unterscheiden. Aber so haben viele von uns angefangen. Der Schritt eigenes zu erschaffen kommt später. Mich persönlich stört es nicht solche Bilder auf Instagram und TikTok zu finden, da es meist klar ist das diese Bilder abgezeichnet sind. Aber auch hier gilt es, darauf hinzuweisen, wenn das Original von einem anderen Künstler stammt. Wer das Abzeichnen (für Anatomiestudien) als Training nutzt, empfehle ich allerdings von Fotos und nicht von anderen Zeichnungen abzuzeichnen. Einfach nur, damit man sich nicht die Fehler anderer aneignet. Kurz gesagt! Abzeichnen ist ein gutes Training und die meisten beginnen mit dem Abzeichnen. Es ist nichts Verwerfliches daran.

Wer Referenzen nutzt kann nicht zeichnen
Referenzen nutzen und Abzeichnen, ist das nicht das gleichen? Nicht ganz. Eine Referenz zu nutzten bedeutet nicht unbedingt etwas eins zu eins abzuzeichnen (kann aber auch vorkommen z.B., wenn ich eine Hand in einer bestimmten Position zeichnen möchte). Beim Nutzen von Referenzen Suche ich meist bestimmte Teile für ein Bild. Wenn ich jetzt ein Bild von einer Person und einem Fuchs zeichnen möchte, würde ich mir sehr wahrscheinlich Bilder von Füchsen anschauen. Ich weiß zwar, wie ein Fuchs aussieht, habe aber zu selten einen Fuchs gezeichnet, um ihn anatomisch richtig darstellen zu können. Ich nutze Referenzen auch für Lichtfall und Farbwirkung. Da kann es sein, dass mein Bild und mein Referenzbild inhaltlich nichts gemeinsam haben, außer dass ich den Schattenwurf übernommen habe. Der Anspruch, dass man alles aus dem Kopf zeichnen muss, kommt sehr oft von Leuten die gar nicht zeichnen. Das liegt wohl daran, dass fast jeder Künstler, in irgendeiner Form Referenzen nutzt. Ein Künstler weiß, dass es sinnvoll ist Referenzen zu nutzen. Wenn ich mich draußen hinsetze und den Kirchturm von nebenan zeichne, ist das auch eine Referenz. Alles hat einen Ursprung und das ist vollkommen ok.

Links sind genutzte Referenzen von Pinterest für mein Artwork rechts.